Klassenunterschiede

Accept demonstrieren ihren Vorbands eindrücklich, wie eine Metalshow auszusehen und zu klingen hat.

Klassenunterschiede

Während ich noch draussen stehe, ertönen die ersten Klänge von Circle II Circle… und das klingt doch schwer nach Savatage. Jawohl, das ist „Taunting Cobras“, der Opener vom 1994er Album „Handful of Rain“. Wundern sollte das niemanden: Schliesslich war Zak Stevens, Sänger von Circle II Circle, zwischen 1993 und 2000 Mitglied von Savatage.

Diese Tatsache ist Fluch und Segen zugleich. Segen, weil ohne diese Verbindung wohl niemand nach Circle II Circle schreien würde. Ja, das erste Album „Watching in Silence“ war noch gut, der Rest… nicht mehr so. Fluch, weil die eigenen Songs halt im Vergleich mit denen von Savatage komplett abfallen. Und weil demzufolge auch niemand die eigenen Songs hören will.

Das ginge ja noch – bei Jon Oliva’s Pain ist’s auch nicht viel anders. Der Mountain King hat allerdings eine kompetente und halbwegs charismatische Backing-Band – und die besseren Sava-Songs im Gepäck. Bei Circle II Circle ist Stevens der einzige ansatzweise Charismatiker – und heute ist er schlecht bei Stimme.

Es folgt eine Band, von der ich noch nie gehört habe: Damnations Day aus Australien. Eine Kombination aus Thrash und Power Metal, ziemlich lange Songs, recht abwechslungsreich, super Riffs und geile Leads, und eine Sirene, die Rob Halford Konkurrenz macht. Cool, cool. Wenn es CDs zu kaufen gegeben hätte, hätte ich mir eine geholt.

Das Problem offenbart sich dann nach etwa 20 Minuten: Wurde der Song nicht schon mal gespielt? Oder klingt das alles recht ähnlich. Vermutlich Letzteres. Wieder eine eigentlich coole Band, die in ihrer eigenen Formel gefangen ist und es versäumt, ihren Songs Wiedererkennungswert zu geben. Und dann stehen die Leute auch noch wie Ölgötzen auf der Bühne rum. Sorry, Jungs: Wenn eure Songs nicht total mitreissend sind, will ich Show sehen. Shoe- und Fretboardgazing geht im Metal nur, wenn die Musik sich selber tragen kann.

Zwei Stunden später sind alle glücklich. Das deutsche Urgestein hat auf ganzer Linie abgeräumt. Kein Vergleich zu den beiden Vorbands. Kein Vergleich zu meinem letzten Accept-Gig 2005, als Udo Dirkschneider irgendwann die Puste ausging. Als man gemerkt hat, dass die Leute sich nicht ganz grün sind. Nein, jetzt haben die Leute Spass. Mark Tornillo lässt einen vergessen, dass er nicht der Originalsänger ist. Der Mann singt „Fast as a Shark“ wie auf Platte – das hat Dirkschneider schon in den Achtzigern live nicht hingekriegt. (Wer’s nicht glaubt, soll mal in „Staying a Life“ von 1985 reinhören.) Hier fallen die neuen Songs nur marginal ab gegen die Klassiker (aber ehrlich: „Balls to the Wall“ schreibt sich halt nur einmal), und hier wird auch nicht steif auf der Bühne rumgestanden. So soll’s sein.